Gedanken zur Einheit
Was lang getrennt, wird nun vereint,
der Himmel blau, die Sonne scheint.
Es ist wie aus dem Bilderbuch
und keiner merkt den Selbstbetrug.
Es ist wie überall im Leben,
man kann Zerbrochenes zwar kleben,
doch bleibt es nun für alle Zeit
geklebt bis in die Ewigkeit.
Man kann es wenden oder drehen,
die Sprünge wird man immer sehen.
Vor einem Jahr riefst du: „Hurra,
es lebe Kohl, die Wende ist da.
Nun Ärmel hoch, spuckt in die Hände,
auf das sich alles zum Guten wende!“
Nach einem Jahr da sinkt der Mut,
auch drüben ist nicht alles gut.
Auch drüben wird dir nichts geschenkt.
Die Zukunft in den Sternen hängt.
Im Portemonnaie ist’s öd und leer,
die Rechnungen, die steigen sehr.
Dein Arbeitsplatz ist längst schon weg
und ungedeckt dein letzter Scheck.
Die Schaufenster sind vollgestopft,
dass dir der Zahn im Munde tropft.
Du kannst jetzt in den Süden fahren,
doch musst du für die Rente sparen,
denn was du dir gespart hatt’st schon,
das nahm dir die Währungsunion.
Dein Chef, der sagt: „Du musst verstehen,
die Wende kam und du musst gehen.“
Er will ja schließlich selber bleiben
und walten wie in alten Zeiten.
An seinem Anzug siehst du noch
vom Parteiabzeichen das Einstichloch.
Es ist vielleicht drei Jahre her,
da standst du doch schon einmal hier
und musstest Red und Antwort steh’n,
weil du nicht in die Partei wollt’st geh’n.
Du tratst nicht ein, gingst demonstrieren,
man drohte dir, wollt dich einsperren.
Die Wende kam - das war dein Glück.
Heut blickst in Wehmut du zurück.
Es ist dir schon seit langem klar,
dass Kleben nicht die Lösung war.
Das Leimen mit billigem Einheitskitt,
das nimmt so einen Krug halt mit.
Um ihn nun wirklich zu restaurieren,
muss man 'ne Menge investieren.
Das Geld nimmt man von dir, na klar.
Du wolltest doch die Einheit, nicht wahr?